Wir alle lieben Alpakas, diese immer ein wenig nach Science Fiction aussehenden Wesen aus der Gruppe der Kamelartigen. Doch wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ihnen einmal eine entscheidende Rolle bei der Rettung der Menschheit zukommen könnte?

Kamele tanzen aus der Reihe. Sie haben zum Beispiel andere rote Blutkörperchen, sogenannte Erythrozyten, als alle anderen Tiere. Erythrozyten erinnern gewöhnlich an einen Donut und haben keinen Zellkern. Bei Vögeln ist das anders. Ihre Erythrozyten haben einen Zellkern – genau wie jene der Kamelartigen. Das könnte uns in naher Zukunft nützen, schreibt der Veterinärmediziner Dr. René Anour in seinem neuen Buch Das Arche Noah-Prinzip – Heilung aus dem Tierreich.

Faszinierendes im Buch eines Veterinärs und Forschers

Forscher der Universität Brüssel fanden im Blut der Kamele auch eine ganz besondere Art von Antikörpern. Sie unterschieden sich grundlegend von denen, die wir aus unserem Körper kennen. Sie waren viel kleiner und leichter.

Deshalb erhielten sie den Namen Nanobodies.

Warum war das so interessant? Die Nanobodies der Kamele waren genauso wirksam wie ihre schwereren und trägeren Brüder. Gleichzeitig waren sie aber fähig, ihre Ziele in engeren oder versteckteren Winkeln im Gewebe zu finden, die herkömmliche Antikörper nicht erreichen können. Man vermutet sogar, dass Nanobodies die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, an der andere Antikörper abprallen. Das bedeutet, dass sich dadurch ganz neue Möglichkeiten in der Behandlung von Hirntumoren ergeben könnten, weil man sie auch im zentralen Nervensystem einsetzen könnte. Außerdem sind sie besonders hitzeunempfindlich, was ihre Lagerung erleichtert, schreibt Anour in Das Arche Noah-Prinzip.

Erleichterung für Millionen von Patientinnen und Patienten

Die überraschende Entdeckung im Jahr 1989 fand zu ihrer Zeit zwar große Beachtung, doch wie bei vielen genialen Erfindungen schien die richtige Zeit für die Nanobodies der Kamele noch nicht gekommen zu sein, denn in den nächsten Jahrzehnten geschah so gut wie gar nichts mit ihnen. Bis sich das plötzlich radikal änderte. Sogenannte monoklonale Antikörper sind inzwischen aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Sie bieten unter anderem Millionen von Patienten Erleichterung bei diversen Autoimmunerkrankungen und Krebs.

Die Welt hat die Nanobodies der Kamele mittlerweile wiederentdeckt, und die Forschung an ihnen ist geradezu explodiert. So fand man heraus, dass bestimmte Nanobodies die gefährlichen H5N1-Viren der Vogelgrippe hemmen können. Bereits jetzt laufen Studien am Menschen mit einem Nanobody, der Infarkte bei Patienten mit einer Herzkrankheit, dem akuten Koronarsyndrom, verhindern soll. Wieder andere Entwickler arbeiten gezielt an Nanobodies, die Hirntumore bekämpfen können. Und was bedeutet das für die Bekämpfung der Corona-Pandemie?

Retten drei Alpaka-Damen die Welt?

Wenn ein Mensch eine Infektion erleidet, bildet sein Immunsystem zumeist einen schützenden Spiegel an Antikörpern, um ihn vor einer erneuten Infektion mit dem Erreger zu schützen. Grundsätzlich lassen sich diese Antikörper auch nutzen, um einen anderen erkrankten Menschen damit zu behandeln.

Wenn diese Antikörper schon funktionieren, dachte sich eine Gruppe Forscher des Max-Planck-Instituts, was würde man dann bekommen, wenn Alpakas mit Teilen des Coronavirus in Berührung kämen? Mit dem gefährlichen Spike-Protein des Virus, um genauer zu sein?

Gesagt, getan. Die Forscher setzten drei Alpakadamen dem für die Tiere ungefährlichen Spike-Protein aus. Wenig später nahmen die Forscher ihnen Blut ab und fanden darin ein ganzes Potpourri an Nanobodies, die höchst effektiv gegen das Coronavirus wirken. Derzeit wird daran gearbeitet, die allerbesten Nanobodies der drei Alpakadamen zu identifizieren und aus ihnen eine Behandlung zu entwickeln, die Erkrankten Heilung bringen kann. Im Gegensatz zu anderen Antikörpern, die man wegen ihrer Größe injizieren muss, wäre bei den kleinen Antikörpern der Alpakas vielleicht sogar eine lokale Anwendung, zum Beispiel über einen Nasenspray, denkbar. Man darf gespannt sein.

Die drei Alpaka-Damen haben sich jedenfalls wirklich eine Extraportion Hafer verdient.

Zum Buch Das Arche Noah-Prinzip von Dr. René Anour, aus dem dieser Text stammt (wir haben ihn leicht bearbeitet) geht es hier.