Eine Herpes-Attacke im Mund. „Das könnte ein Zeichen für ein geschwächtes Immunsystem sein“, sagt die Apothekerin und empfiehlt Zink-Tabletten. „Nehmen sie zwei Wochen lang je eine täglich.“ Sie stehen bereits griffbereit im offenen Regal, 30 Milligramm je Kapsel, denn die Pandemie hat dem lebenswichtigen Spurenelement zu einiger Prominenz verholfen. „Nach zwei Wochen nehmen Sie dann die Kapseln mit 15 Milligramm“, sagt die freundliche Apothekerin noch. Schützen zinkhaltige Nahrungsergänzungsmittel womöglich sogar vor Corona?
Wir brauchen Zink
Unser Immunsystem braucht tatsächlich Zink, um Antikörper gegen Krankheitserreger bilden zu können, zum Beispiel sogenannte Fresszellen. Allerdings sind Österreicher und Deutsche, anders als es die zahlreichen Werbungen für Nahrungsergänzungsmittel suggerieren, durch ihre tägliche Ernährung ausreichend mit Zink versorgt. Zink ist vor allem in Fisch, Fleisch, Milchprodukten und Hülsenfrüchten enthalten. Zwei Schnitten Vollkornbrot mit Käse decken den täglichen Bedarf an Zink hinlänglich.
Schlampige Veganer am ehesten von Zinkmangel gefährdet
Gefährdet sind am ehesten Veganer, die bei ihrer Ernährung nicht ausreichend auf Ausgewogenheit achten. Auch deshalb, weil unser Körper das in Hülsenfrüchten enthaltene Zink weniger leicht verarbeiten kann als jenes aus Fleisch, Fisch oder Milchprodukten. Zinkmangel kann sich dann nicht nur durch ein geschwächtes Immunsystem, sondern zum Beispiel auch durch brüchige Haare und Nägel sowie durch trockene Haut zeigen.
Wissenschaftlich fragwürdig
Stimmt es nun, dass wir Zink zu uns nehmen sollten, wenn wir zum Beispiel erkältet sind? Hilft uns zusätzliches Zink, Abwehrzellen zu bilden und zu aktivieren? Brauchbar wissenschaftlich dokumentiert ist das jedenfalls nicht. Eine Übersichtsarbeit von Cochran, einem globalen, unabhängigen Netzwerk aus Wissenschaftlern, Ärzten, Angehörigen von Gesundheitsfachberufen, Patienten und weiteren an Gesundheitsfragen interessierten Personen aus dem Jahr 2013 kam zwar zu dem Schluss, dass Zink die Dauer einer Erkältung um einen Tag verkürzt, wenn Patientinnen und Patienten es innerhalb von 24 Stunden nach Ausbruch der Symptome einnehmen. Selbst diese ja eher bescheidene Wirkung trat aber erst bei der Einnahme der sehr hohen täglichen Menge von mindestens 75 Milligramm Zink ein. Ganz abgesehen davon hatte die Cochran-Studie offenbar methodische Mängel, weshalb das Netzwerk sie wieder zurückzog.
Überdosierung gefährlich
75 Milligramm Zink täglich kämen jedenfalls einer Überdosierung gleich, und die ist auch nicht ungefährlich. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nennt täglich 25 Gramm Zink als Obergrenze, inklusive dem in unseren Lebensmitteln enthaltenem. Aus Nahrungsergänzungsmitteln sollten wir demnach höchstens 2,25 Milligramm beziehen. Kinder und Jugendliche sollten gar kein zusätzliches Zink nehmen, so das BfR. Als Folgen einer Überdosierung kann es zu einem gestörten Kupferstatus samt daraus resultierender Blutarmut (Anämie) und einer erst recht erhöhten Infektanfälligkeit kommen. Auch von möglichen Herzproblemen durch zu viel Zink über einen langen Zeitraum hinweg ist die Rede.
Die Antwort auf die Frage, die wir im Titel dieses Beitrages gestellt haben, lautet also: Ja, es stimmt, dass uns Zink vor Virenangriffen schützt. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass wir täglich zusätzliches Zink einnehmen sollten. Wenn wir das tun, scheint es am besten zu sein, wenn wir den Zeitraum dafür begrenzen und die Dosierung niedrig halten.
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