Die Liste der Hausmittel, die wir uneingeschränkt als gesund betrachten, ist lang. Doch wie gesund sind Ingwer, Pfefferminze, Kamille, Melisse, Lindenblüten, Johanniskraut, Knoblauch, Hülsenfrüchte oder diverse exotische Kräuter wirklich? Der Humanmediziner und wissenschaftliche Leiter der Europäischen Akademie für Ayurveda, Dr. Ashish Bhalla, warnt in seinem Buch Böse Heiler: Oft übersehen wir unangenehme oder sogar gefährliche Nebenwirkungen. Was sind diese Nebenwirkungen?
Ingwer. Ingwertee ist als scheinbar unbedenkliches Hausmittel zur Stärkung der Abwehrkräfte weit verbreitet. Er wirkt unter anderem entzündungshemmend und anregend auf die Magensaft- und Gallebildung. Frischer Ingwer ist, wenn er gelutscht wird, ein gutes Mittel gegen Brechreiz. Bei Menschen, die zu Hitze neigen, kann er allerdings die Magenschleimhaut entzünden und auf längere Sicht verätzen. Wer eine Hitzeneigung hat, wer leicht ins Schwitzen kommt, leicht Sodbrennen bekommt und bei dem der Stuhlgang nach scharfem Essen brennt, weil er Chili und Pfeffer nicht ordentlich verdaut hat, sollte Ingwer meiden. Auch bei einer Neigung zu Gastritis ist von Ingwertee dringend abzuraten.
Pfefferminze. Im Gegensatz zu Ingwer wirkt Pfefferminztee kühlend. Er kann helfen, eine Magenentzündung zu heilen. Wer zu Kraftlosigkeit neigt, sollte Pfefferminztee aber meiden, denn er entzieht dem Körper Wärme.
Grüner Tee. Noch stärker kühlend als Pfefferminztee wirkt der angeblich so gesunde grüne Tee. In größeren Mengen kann er bei einer starken Entzündung oder Krebs helfen. Doch größere Mengen verträgt nur, wer viel Hitze im Körper hat. Alle anderen werden davon nervös und fahrig. Mit der Zeit bekommen sie Schlafstörungen, die sich in weiterer Folge negativ auf den allgemeinen Gesundheitszustand auswirken. Bei der Wirkung von grünem Tee sind allerdings Unterschiede je nach Weltregion zu beobachten. In Japan und China trinken viel mehr Menschen grünen Tee in größeren Mengen, ohne dass die oben beschriebenen Beschwerden massenhaft auftreten. Über die Jahrhunderte haben sich die Menschen dort an den grünen Tee gewöhnt. In Europa ist das noch nicht der Fall.
Kamille. Nicht einmal Kamillentee ist harmlos. Er hilft gegen Magen-Darm-Infektionen, allerdings vertragen viele Menschen Kamille schlecht. Bei rund zehn Prozent aller Europäer führt Kamillentee sogar zu allergischen Reaktionen. Daher Vorsicht bei seinem Einsatz!
Melisse. Melissentee wird oft als Einschlafhilfe empfohlen. Wenn wir Schlafprobleme haben und Melissentee trinken, schadet uns das auch nicht. Wir sollten uns aber davor hüten, ihn dauerhaft zum Beispiel zur Besänftigung eines nervösen Darms zu trinken. Manche Menschen reagieren allergisch darauf und Schilddrüse-Patienten können zu stark reagieren. Pfarrer Sebastian Kneipp hätte niemals nur Melisse gegeben. Er hätte die Melisse je nach Patient oder Patientin immer mit anderen Kräutern kombiniert, um negative Wirkungen zu verringern.
Lindenblüte. Der Tee daraus dient in der Traditionellen Europäischen Medizin zur Senkung von Fieber und zum Entschlacken. Kurzfristig angewendet sind auch hohe Dosierungen von mehreren Litern täglich in Ordnung. Wer allerdings eine längere Entschlackungskur mit Lindenblütentee machen möchte, ist schlecht beraten. Denn wie etwa auch die Brennnessel schwemmt die Lindenblüte ab der dritten Woche Elektrolyte aus dem Körper. Das verursacht Durchfälle, die den menschlichen Organismus auf Dauer schwächen. Zudem steigt die Nervosität.
Johanniskraut. Es gilt als Tee oder in Kapseln als Stimmungsaufheller. Im Sommer kann das Kraut die Stimmung jedoch schnell verschlechtern, weil es die Haut besonders lichtempfindlich macht. Das führt zu unangenehmen sonnenbrandähnlichen Symptomen auch ohne stärkere Sonneneinwirkung. Wir sollten Johanniskraut auch nicht mit anderen Medikamenten mischen. Es dockt an denselben Rezeptoren wie viele Medikamente an und reduziert deren Wirkung. Das betrifft vor allem Antidepressiva. Wer zusätzlich zu Antidepressiva etwas Natürliches nehmen will und zu Johanniskraut greift, darf sich nicht wundern, wenn die Antidepressiva schlechter wirken. Aber auch die Pille verliert durch Johanniskrautkapseln in hohen Dosen ihre empfängnisverhütende Kraft.
Aloe vera. Diese Pflanze mit den fleischig-stacheligen Blättern hat in den vergangenen Jahren einen Beliebtheitsboom erlebt. Tatsächlich hilft sie bei Gastritis und beruhigt die Magenschleimhäute. Allerdings hat auch sie eine unangenehme Nebenwirkung. Im Sanskrit wird Aloe vera als „Kumari“ bezeichnet, ein Begriff für die Jungfrau, die die Regel nicht bekommen kann. Denn Aloe vera in höheren Dosierungen ist blutungsfördernd. In Dosierungen von einem Liter am Tag kann Aloe vera zu starken Blutungen bei Frauen führen, die bisher eine ganz normale Regelblutung hatten. Wer bisher eine normale Verdauung hatte und nun Aloe vera in größeren Mengen zu sich nimmt, wird bald sehr häufig das WC besuchen. Denn Aloe vera in entsprechenden Mengen kurbelt die Verdauung kräftig an und kann deshalb Durchfälle verursachen.
Exotische Kräuter. Durch die Globalisierung gelangen Pflanzen nach Europa, an die wir hier nicht gewöhnt sind. Daher ist Vorsicht geboten. Sie entfalten wie der grüne Tee eventuell bei Europäern eine andere Wirkung als bei Indern oder Chinesen. Deshalb müssten verantwortungsvolle Alternativmediziner jeweils mit Adaptionen des von dort stammenden, oft jahrtausendealten Wissens für hiesige Verhältnisse arbeiten. Was sie selten tun. Kompetente Alternativmediziner verwenden exotische Pflanzen auch nur dann, wenn Pflanzen mit den gleichen Wirkstoffen in Europa fehlen. Dabei achten sie darauf, dass diese Pflanzen im Himalaya-Vorland oder in anderen Regionen heimisch sind, in denen ein ähnliches Klima wie in Mitteleuropa herrscht. Pflanzen etwa aus dem viel heißeren und feuchteren Südindien vertragen Europäer erfahrungsgemäß besonders schlecht. Ayurvedische Studien oder auch Hildegard von Bingen sagen, dass wir insbesondere das zu uns nehmen sollen, was im Umkreis von 35 Kilometern wächst. Regionale und saisonale Produkte. Da sind die Wirkstoffe drin, an die sich schon unsere Vorfahren gewöhnt und diese Gewöhnung an uns vererbt haben.
Knoblauch. Er tut in gekochter Form den meisten Menschen gut. Aber in roher Form, wie er manchmal zur Heilung eingesetzt wird, ist er für Menschen, die zu Hitze neigen, schädlich. Denn Knoblauch wirkt wie Ingwer erhitzend. Wer ein Magengeschwür hat und zu viel Knoblauch isst, verschlechtert seinen Zustand.
Hülsenfrüchte. Insbesondere Linsen gelten in der Alternativmedizin als empfehlenswerter Ersatz für Fleisch, weil sie Proteine liefern. Vielen Europäern fehlt allerdings das Enzym, das Hülsenfrüchte spaltet. Deswegen bekommen sie Blähungen, wenn sie zum Beispiel rote Linsen essen. Europäer sollten daher etwas verdauungsförderndes zu den Linsen hinzufügen, etwa das in Asia-Läden erhältliche Hing- oder Asant-Pulver. Für vier Portionen Linsen reicht eine Messerspitze.
Das Buch Böse Heiler von Dr. Ashish Bhalla findest du hier.
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