Selbstverletzungen bei Kindern und Jugendlichen sind ein heikles Thema, das ständig an Bedeutung gewinnt. Es geht nicht nur um das bekannte „Ritzen“. Selbstverletzungen können vom Vereisen mit einem Deodorant bis zum Blutigschlagen einer Faust an einer Wand reichen. Schneiden und Ritzen sind typisch für Mädchen, Schlagen eher für Jungen.

In seinem Buch Sie brauchen uns jetzt – Was Kinder belastet. Was sie schützt räumt Prof. Dr. Paul Plener, Chef der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der MedUni Wien, mit einigen bei Eltern verbreiteten Missverständnissen über Selbstverletzungen auf.  

Gefühlsbewältigung

Sie sind demnach keine eigenständige psychische Erkrankung, sondern ein Symptom, das auf alle möglichen Erkrankungen hinweisen kann. Es hat viel mit Impulskontrolle und Emotionsregulierung zu tun. Mir geht es nicht gut, ich habe unangenehme Gefühle, also verletze ich mich selbst, damit sie weggehen: So denken Jugendliche dann, schreibt Plener, zu dessen Hauptarbeitsbereichen die Selbstverletzungen gehören.

Von Freunden inspiriert

Bei einer Studie gaben rund 26 Prozent aller Unter-15-Jährigen an, sich zumindest einmal im Leben selbst verletzt zu haben. Dauerhaft und regelmäßig tun es zwei Prozent. Väter und Mütter fragen sich dann: Ist es unsere Schuld? Haben wir als Eltern versagt? Bieten wir unserem Kind ein so trauriges Leben, dass es sich verletzen muss?

Selten trifft sie aber die alleinige Schuld daran, und manchmal gar keine. Hier spielen eher soziale Einflüsse eine Rolle. Der größte Risikofaktor für Kinder und Jugendliche, sich selbst zu verletzen, besteht darin, jemanden zu kennen, der es tut und der aus dem Freundeskreis oder sogar aus der eigenen Verwandtschaft stammt. Wenn Kinder oder Jugendliche dann einmal nicht wissen, wohin mit ihren Sorgen und ihrem Schmerz, fällt ihnen dieses Verhalten ein und sie probieren es aus.

Manche bleiben dabei

Viele merken, dass zum Beispiel Ritzen richtig wehtut und lassen es gleich wieder bleiben. Von den 26 Prozent, die sich bereits selbst verletzt haben, versuchen es etwa vierzig Prozent nur ein- bis zweimal. Andere bleiben dabei und etablieren die Selbstverletzung als Methode, Probleme zu lösen. Kurzfristig geht es ihnen damit ja auch tatsächlich besser. Weshalb viele die Frage stellen: Wo ist eigentlich das Problem?

Immer andere Ursachen

Es besteht darin, dass diese Art, mit Gefühlen fertig zu werden, kurzfristig funktionieren mag, langfristig aber Narben hinterlässt, die ein Leben lang an schwere Zeiten erinnern. Außerdem werden Selbstverletzungen mit der Zeit häufiger und, wegen steigender Schmerztoleranz, schwerer. Immer sind sie ein Ausdruck einer seelischen Krise und sollten zum Nachfragen veranlassen. Mehr Nützliches über den Umgang mit Kindern und Jugendlichen in schwierigen seelischen Situationen steht hier.