Stangensellerie gilt seit einer Weile als das gesündeste aller Lebensmittel. In den sozialen Medien schwärmen Promis wie Kim Kardashian, Katie Holmes und Miranda Kerr sowie Gesundheitsblogger davon. Anthony William, der Gründer von etwas, das er global celery juice movement (weltweite Selleriesaft-Bewegung) nennt, hat ein ganzes Buch nur darüber geschrieben, dessen ambitionierte Ansage im Titel steht: Celery Juice – The most powerful medicine of our time healing millions worldwide (deutscher Titel: Selleriesaft – Der ultimative Superfood-Drink für deine Gesundheit). Ein besserleben-Redakteur hat versucht, Selleriesaft in seine Ernährungsroutine aufzunehmen. Welche Erfahrungen hat er damit gemacht?

Unglaublich vielfältige Wirkung

Laut den im Internet kursierenden Informationen soll Selleriesaft gut für Haut (natürlicher Sonnenschutz), Haare und Nägel sowie für das Herzkreislaufsystem (er entspannt die Muskulatur der Blutgefäße) sein und die Magenschleimhaut pflegen. Er soll Entzündungen hemmen, den Colesterinwert senken, bei Problemen mit der Schilddrüse helfen, entschlacken, entgiften und entwässern, Schwermetalle entsorgen und überhaupt überschüssige Ablagen aus dem Gewebe entfernen.

Vorbeugen gegen Krebs

Darüber hinaus soll der im Selleriesaft enthaltene gelbe Farbstoff Apigenin die Vermehrung von Krebszellen im Körper hemmen. Er soll die Zellen widerstandsfähiger gegen aggressive Sauerstoffmoleküle machen, die mitschuldig an der Entstehung von Krebs sein könnten. Dazu soll er auf natürliche Weise unsere Körpertemperatur regulieren und dafür sorgen, dass wir weniger schwitzen. Selbst Menschen mit chronischen Krankheiten wie Rheuma oder Arthritis soll er helfen.

Natürliches Misstrauen

Unserem Redakteur sind Hypes wie jener um den Selleriesaft grundsätzlich suspekt, doch dann sah er, wie der 95 Jahre alte Vater einer Bekannten auflebte, als er jeden Tag ein Glas Selleriesaft zu sich nahm. Davor war er kaum noch aus dem Haus gegangen und hatte sein Leben vor dem Fernseher oder dahindämmernd verbracht, nun fuhr er wieder Auto. Gab es da einen Zusammenhang?

Am Anfang lästig

Unser Redakteur entschied sich für eine Regel, die angeblich die Wirkung von Selleriesaft erst richtig zur Entfaltung bringt: Er ignorierte die vielen Rezepte für Selleriesaft im Internet. Wie der alte Mann trank er jeweils ein Glas pur, und zwar zwanzig Minuten vor dem Frühstück. Wie war das für ihn?

„Am Anfang war es lästig“, berichtet er. „Es fing schon mit der täglichen Reinigung des Entsafters, der aus sieben Teilen besteht, an. Den Gemüseabfall heraus- und das Messer sauber kriegen, das ist nicht einfach. Dann bekam ich anfangs Blähungen vom Saft und wollte schon wieder damit aufhören, als ich las, dass sie eine vorübergehende Folge des anfangs besonders starken Entgiftens sein können.“

Rasche Gewöhnung

„Die Blähungen vergingen tatsächlich bald wieder und inzwischen bin ich beim Reinigen des Entsafters schnell und routiniert“, berichtet unser Redakteur weiter. „Ich weiß ganz genau, welche Faser ich an welcher Stelle des Entsafters wie wegkriege und wie ich alles bis auf das Messer mit affenartiger Geschwindigkeit in den Geschirrspüler packe. Zwischen meinem ersten und meinem dritten Schluck von dem Saft ist das Ganze auch schon wieder erledigt.“

Von schrecklich bitter bis herrlich süß

Wie schmeckt der Saft? „Da gibt es je nach Gemüse gewaltige Unterschiede“, hat unser Redakteur festgestellt. „Die dünnen dunkelgrünen Stangen, angeblich die gesündesten, ergeben einen gewöhnungsbedürftig bitteren Geschmack. Ich tröste mich dann damit, dass die in unserer üblichen Nahrung ohnedies fehlenden Bitterstoffe die Prostata schützen und stärken und andere wichtige Eigenschaften haben. Die helleren und dickeren Stangen ergeben manchmal einen herrlich süßen Saft, bei dem ich besonders den Schaum liebe.“

Ein ungewöhnliches Gefühl

Und wie wirkt der Saft? „Ob ich damit hundert Jahre alt werde, kann ich sagen, wenn es so weit ist“, meint dazu unser Redakteur. „Sicher ist aber: Dieses Glas Selleriesaft auf nüchternen Magen jeden Morgen macht mit mir etwas, das noch kein anderes Getränk oder Lebensmittel mit mir gemacht hat, und auf das ich nicht mehr verzichten möchte. Es ist nicht ganz leicht zu beschreiben, aber es fühlt sich für mich an, als würde die Mineralisierung meines Körpers hochfahren, genau bis zu dem Maß, das er sich wünscht. Reisen hat jetzt für mich jedenfalls den Nachteil, dass ich meinen Entsafter nicht mitnehmen kann.“