Himmel, wie die Zeit vergeht! Denkst du das auch manchmal? Vor allem mit zunehmendem Alter haben wir den Eindruck, dass die Zeit immer schneller vergeht. Aber das ist doch unmöglich, oder etwa doch nicht? Tatsächlich täuscht uns dieses Empfinden nicht. Je älter wir werden, desto schneller vergeht die Zeit, was sich wisschenschaftlich erklären lässt.
Eine Studie der US-amerikanischen Duke University zeigt: Das liegt an der Art, wie unser Gehirn Bilder verarbeitet. Oder besser gesagt: An der Geschwindigkeit, mit der das geschieht. Je älter wir werden, desto langsamer werden Bilder vom Gehirn aufgenommen und verarbeitet. Das liegt einerseits daran, dass die Neuronen- und Nervennetze reifer, größer und komplexer werden – was zu längeren Pfaden und höherer Verarbeitungsdauer führt; andererseits altern diese Bahnen, weshalb die elektrischen Signale mit der Zeit mehr Widerstand überwinden müssen.
Die Folge: Es werden weniger Bilder in der gleichen Zeit verarbeitet, also füllen weniger Erlebnisse das Gehirn – und die Zeit vergeht schneller. Mehr Bilder führen hingegen zu mehr gefühlten Erlebnissen, die gefühlte Zeit vergeht langsamer.
Kindheit und Jugend sind voll mit neuen Erfahrungen, Sinneseindrücken und ersten Malen. Ein weiterer Grund dafür, warum uns die Sommerferien in der Erinnerung so lang vorkommen.
Zeitempfinden ist immer subjektiv
Allerdings gibt es durchaus noch weitere Erklärungsansätze. Neben der Bildverarbeitungsgeschwindigkeit im Gehirn spielen auch Erinnerung, Gewöhnung und Emotionsregulation eine wesentliche Rolle.
Je mehr Erinnerungen wir für einen Zeitraum haben, desto länger erscheint er uns im Rückblick. Je voller die Festplatte im Kopf, je mehr passiert ist – desto mehr Zeit veranschlagt das Gehirn dafür. Und zwar auch in der Erinnerung. Ein Wochenende nur faul rumliegen und netflixen wirkt ein paar Tage später zum Beispiel viel kürzer als ein Trip in eine bisher unbekannte Stadt. Obwohl es in beiden Fällen 48 Stunden waren.
Wenn das Neue im Laufe des Lebens langsam zur Gewohnheit wird, schwindet dieser Effekt. An Dinge, die wir routinemäßig erledigt oder schon mehrmals erlebt haben, erinnern wir uns weniger gut. Je älter wir werden, desto weniger signifikante Erfahrungen werden gemacht und im Gedächtnis gespeichert. Infolgedessen beschleunigt sich die gefühlte Zeit, zumindest in der Theorie.
Eine Frage der Emotionsregulation
Eine weitere Rolle beim subjektiven Zeitempfinden spielt die Emotionsregulation. Laut einer Studie von Wissenschaftler Marc Wittmann fühlten sich Befragte mit höherer Emotionsregulationsfähigkeit nicht nur entspannter, weniger depressiv und gestresst – für sie verging die Zeit auch etwas langsamer. Das hänge durchaus mit der Erinnerung zusammen. Menschen mit bewussterer Gefühlslage nehmen auch ihr Umfeld bewusster wahr und speichern deshalb mehr Erfahrungen im Langzeitgedächtnis. Das wiederum sorgt im Rückblick für mehr Erlebnisse und deshalb für mehr vergangene gefühlte Zeit.
Übrigens können wir durchaus dafür sorgen, dass wir weniger Routinen und stattdessen mehr neue Dinge erleben und gleichzeitig achtsamer dabei sind. Das bringt uns die ewigen Sommerferien zwar nicht zurück, aber so lässt sich die gefühlte Zeit zumindest ein wenig dehnen. (Dr. Silvia Jelincic)
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