Die Wut kommt wie aus dem Nichts oder sie bahnt sich ihren Weg allmählich an die Oberfläche. Sie schaltet deinen Verstand ab und bringt dir oft genug Unannehmlichkeiten ein. Trotzdem ist sie ein zu Unrecht geächtetes Gefühl.

Wer seine Wut zeigt, gilt als unkontrolliert und primitiv. Deshalb lernen wir als Kinder, sie in uns zu begraben. Ruhig bleiben. Wir haben gelernt, die Wut hinunterzuschlucken, doch dort köchelt sie weiter. Weshalb Psychologen diese gesellschaftliche Übereinkunft zunehmend hinterfragen. Ein Gefühl aus dem menschlichen Gefühlsspektrum zu streichen, halten sie für gefährlich, weil es uns krank machen kann.

Die Funktion der Wut

Wut, meinen sie, ist eine Basisemotion, die wir zum Leben brauchen. Sie zeigt uns, dass jemand unsere Grenzen überschreitet. „Wut hat eine Funktion. Sie vermittelt uns Erkenntnis über uns selbst“, sagt etwa die Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner, die ein Buch darüber geschrieben hat. Wut und Aggressionen, betont sie, sind nicht dasselbe. Allerdings kann lange ignorierte Wut zu Aggression führen. Viele Verbrechen haben diese Vorgeschichte.

Die Wütenden verändern die Welt

Wir müssen uns deshalb unserer Wut stellen. Und sie positiv sehen, als einen Motor für Selbstreflektion und Veränderung. Wie unterdrücke ich meine Wut? Das ist die falsche Frage. Was macht mich wütend und wie ändere ich es? Das ist die richtige. Schon weil es immer die Wütenden sind, die die Welt verändern. Denn Wut bahnt Neuem den Weg. Wenn du deine Wut beharrlich unterdrückst, veränderst du nur deine Magenschleimhaut und kriegst irgendwann Magengeschwüre.

Stark und selbstbestimmt

Wut kann mit Angst verbunden sein, einfach weil uns unsere Eltern zu oft für Wutausbrüche bestraft haben. Diese Angst hält uns klein und macht uns manipulierbar. Denk daran, wenn du mit Kindern zutun hast. Zeig deine Wut, ohne sie verletzend an anderen auszulassen. Zeig den Kindern, dass wütend zu sein menschlich ist. Oder, wie es Psychiaterin Kastner ausdrückt: „Wir dürfen wütend sein, denn kein Mensch empfindet falsch. Eine Emotion ist immer authentisch.“