In den frostigen Gewässern des Nordatlantiks schwimmt mit einer Geschwindigkeit von einem Kilometer pro Stunde ein Greis seine einsamen Runden. Er kam im Jahre 1624 zur Welt, als in Europa noch der Dreißigjährige Krieg herrschte. Fast vierhundert Jahre ist er alt. Ein Grönlandhai. Seine Spezies ist unter den Wirbeltieren die mit der längsten Lebensspanne. Die Weibchen werden erst mit 150 Jahren geschlechtsreif. Sein langes Leben verdankt der bis zu fünf Meter lange Hai auch der Kälte seiner Heimatgewässer.

Quelle der Jugend

Kälte wirkt verjüngend, auch bei uns Menschen. Die Evolution hat den dafür zuständigen Mechanismus unseren urzeitlichen Vorfahren, die nicht einfach den Thermostat auf 22 Grad stellen konnten, mitgegeben. Sie stattete unseren Körper so aus, dass er sich, verkürzt gesagt, bei Kälte von seiner besten Seite zeigt, einfach damit wir überleben, beschreibt der Arzt und Bestsellerautor Prof. DDr. Johannes Huber in seinem neuen Buch Die vier Quellen der Jugend – Holistisches Anti-Aging. Kalte Duschen oder Eisbäder sind nichts anderes als willkommene Stimuli für die Adrenalin- und Noradrenalinproduktion, die Fettverbrennung und unsere Darmflora.

Geht der Kälteschock auch ohne Kälte?

Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings ist der nächste Thermostat immer in Reichweite und kalt Duschen oder gar Eisschwimmen – also ehrlich, das Leben ist auch so schon grausam genug, oder nicht? Zum Glück gibt es die medizinische Forschung, die daran arbeitet, uns die Vorteile der Kälteschocks ganz ohne deren offensichtlichen Nachteilen zu verschaffen. Was könnte so ein Mittelchen sein, das wir in wohltemperierten Räumen einnehmen können und das den genialen Effekt der Kälte simuliert, ohne uns leiden zu lassen?

Blasenmittel wirkt Wunder

Befassen wir uns zur Beantwortung dieser Frage näher mit einem neuronalen Botenstoff, dem Hormon Noradrenalin. Wenn wir frieren, heftet es sich an ganz bestimmte Andockstellen in unserem Körper und startet so die Fettverbrennung. Womit sich die Frage aufdrängt, ob wir diese Andockstellen auch mit einem Medikament aktivieren können. Es sieht gut aus, könnten wir sagen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) widmete dem Thema bereits einen Artikel mit dem euphorischen Titel Blasenmittel bewirkt Wunder. Die Teilnehmer an einer Studie, zwölf junge gesunde Männer, verbrannten nach Einnahme dieses Mittels 200 Kalorien zusätzlich. Zu hohe Dosierungen gingen allerdings mit unerwünschten Nebenwirkungen wie beschleunigtem Puls und steigendem Blutdruck einher.

Hormone verbrennen Fett wie die Kälte

Ähnliche Kälteersatzreaktionen schaffte in einer anderen Studie das Hormon Triiodthyronin (T3), das normalerweise bei Schilddrüsen-Unterfunktionen zum Einsatz kommt. Ebenso wie ein Hormon, das seine Entdecker Irisin tauften. Das Irisin setzen gewöhnlich unsere Muskeln bei intensiver sportlicher Betätigung frei. Forscher wiesen nach, dass es „schlechtes“ weißes Fettgewebe langsam, aber sicher in „gutes“ braunes umwandelt. Zumindest bei Mäusen.

Ersetzen Ingwer und Chilischoten kalte Duschen?

Ob wir auf eine Zukunft zuschreiten, in der Hormone aus der Apotheke so gut wie Eisschwimmen wirken, wird sich erst zeigen. Die Studien dazu stehen noch am Anfang. Doch auch jetzt schon stehen uns bei der Fettverbrennung einige hilfreiche Wirkstoffe zur Verfügung. Werfen wir dazu einen Blick in die Pflanzenwelt. Capsaicin und Gingerol, zwei Stoffe, die etwa in Ingwerknollen und Chilischoten für Schärfe sorgen, fördern die Produktion von Magensaft und den Speichelfluss, was die Verdauung verbessert und die Fettverbrennung ankurbelt. Auch die im Ginseng enthaltenen Ginsenoside kurbeln den Stoffwechsel an.

Hoffnungsträger Vitamin A

Dazu hat uns die Natur noch ein weiteres Geschenk gemacht, das ähnliches wie die Kälte kann. Das Vitamin A. Ein an der Medizinischen Universität Wien beheimatetes Forschungsteam um den Arzt und Endokrinologen Florian Kiefer konnte zeigen, dass kalte Temperaturen bei Menschen und Mäusen den Vitamin-A-Spiegel ansteigen lassen. Auch das Transportmittel des Vitamin A in unserem Körper, ein Protein, nimmt zu. Daraus lässt sich schließen, dass das Vitamin A eine entscheidende Rolle bei der Fettverbrennung spielt. Die Ergebnisse könnten uns in Zukunft im Kampf gegen Übergewicht helfen. Vitamin A, richtig eingesetzt, könnte tatsächlich so gut sein, wie ein Loch ins Eis zu hacken und mit einem Schrei ins schmerzend kalte Wasser einzutauchen. Viel Vitamin A liefern Karotten, Aprikosen, Kürbis, Grünkohl und Spinat. Zum Buch Die vier Quellen der Jugend – Holistisches Anti-Aging geht es hier.