„Hallo Fettsack!“ Als übergewichtige klassische Couch-Potato hatte ich bis vor etwa zwei Jahren vor allem Freunde, die so waren wie ich und wir redeten uns durchaus liebevoll auf diese Weise an. Denn bist du nicht alleine mit deinem Problem, geht es dir schon besser, und wenn sich die anderen nicht anstrengen, es zu lösen, musst du es auch nicht. „Komm, wir ziehen uns eine Pizza rein! Das ist gut und wir sind gut so, wie wir sind.“ Das war unsere Art von Body Positivity und sie nahm tatsächlich Druck heraus.

Irgendwann stand ich mit meinem Schwabbel-Körper vor dem Spiegel und sagte zu mir: „Du bist die schlechteste Version deiner selbst.“ Gleich darauf drang aus meinem Innersten wie ein Echo der Satz: „Du hast es drauf, die beste Version deiner selbst zu werden.“ Jetzt bin ich um 25 Kilo leichter, ziemlich fit und meistens entspannt.

Faule Ausreden

Wenn ich jetzt etwas über Body Positivity lese, bin ich froh, dass es diese Bewegung gibt. Menschen an oft unrealistischen Schönheitsidealen zu messen ist einer modernen liberalen Gesellschaft unwürdig. Doch gleichzeitig frage ich mich immer, wie viele Frauen und Männer die Ideen von Body Positivity wie ich damals benützen, um ihre Antriebslosigkeit zu legitimieren. Die damit sich selbst schaden, weil sie bleiben, wie sie sind, und gleichzeitig die Bewegung in Misskredit bringen, weil sie ihren Kritikern recht geben. Jenen Kritikern, die meist mit miesem Tonfall meinen, das seien doch nur die Dicken, die sich nicht anstrengen wollen.

Wenn du übergewichtig bist, dich selbst nicht magst, nie die Frau oder den Mann deiner Träume kriegst und du es ohne Aufzug nicht mehr in Dachgeschoßwohnungen schaffst, und das alles, obwohl du es eigentlich besser weißt und besser könntest, belügst du dich selbst, wenn du dir sagst: Ist ja doch irgendwie alles gut oder zumindest halb so schlimm. Wenn du dich dann zum Teil von Body Positivity machst, nötigst du die Gesellschaft, dich ebenfalls zu belügen.

In Wirklichkeit glaubst du deine Lügen selbst nicht

Doch das Deckmäntelchen von Body Positivity hin oder her, so richtig wirst du diese Lügen nie glauben. Denn wo ist die „Positivity“, wenn du beim Stiegensteigen schon im ersten Stock keuchst und schnaufst und im dritten dein Leben nicht mehr packst? Wenn du 25 oder 40 Kilo zu viel hast, obwohl das gar nicht so sein müsste? In welcher Hinsicht macht es dich und dein Leben besser? In keiner natürlich. Im Gegenteil. Es limitiert deine Chancen auf ein erfülltes, gesundes und erfolgreiches Leben. Das ist die Wahrheit, und im Grunde weißt du das, da können dich die anderen noch so ambitioniert in deinem selbstverschuldeten Übergewicht bestärken.

Wir haben eine Art Pflicht, etwas Gutes aus uns zu machen

Ich habe leicht reden, weil ich das große Schwabbeln schon hinter mir habe? Du hast schon vieles versucht, aber irgendwie klappt es nie? Ich verstehe das alles und ich glaube trotzdem, dass wir eine Art Pflicht haben, das Beste oder zumindest etwas Gutes aus uns zu machen, auch in körperlicher Hinsicht. Vor dieser Aufgabe sollten wir uns auch nicht hinter dieser wunderbaren und befreienden Body Positivity-Bewegung verstecken. (Michael Fischl)

Michael Fischl suchte in seinem Leben immer den einfachsten Weg, bis er eines Tages beschloss, sich anzustrengen und das Beste aus sich zu machen. Er ist Medienfachmann und lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Wien.